by Imke Albrecht

Ist Julius Cäsar per Kaiserschnitt geboren worden? Ja oder nein? Viele Darstellungen über die Jahrhunderte bebildern seinen Kaiserschnitt. Medizinhistoriker verneinen das aber. Es gibt Belege, die seine Mutter Aurelia noch 10 Jahre vor Cäsars Ermordung erwähnen. Sie hätte den Kaiserschnitt also überlebt haben müssen und das gilt als ausgeschlossen! Gleichwohl gibt es Feldherren seiner Zeit, die ziemlich sicher „a caesare Uteri“, also aus der Gebärmutter herausgeschnitten wurden. Cäsar oder Kaiser heisst „der Schnittling“.

Die Geschichte des Kaiserschnitts ist faszinierend. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mein erstes offizielles YouTube Tutorial darüber zu machen.

Leider ist es mit fast 60 Minuten bisschen lang geworden! „Kurz und knapp“ ist anders. Das muss ich noch üben. Aber 2000 Jahre Medizingeschichte sind auch nicht in 3 Minuten erzählt.

Das Gesetz zum Kaiserschnitt in der Antike.

Ich glaube, nur wenigen heutigen Geburtshelfern ist bewusst, dass es seit ca. 700 vor Christus, seit dem römischen König Pompilius, das Gesetz lex regia gab, was es verbot, verstorbene schwangere Frauen mit ihrem Baby zusammen zu begraben. Damit wollte man ausschliessen, dass ein noch lebendes Baby im Leichnam seiner Mutter sein Grab fand.

Dieses Gesetz hat fast Jahrtausende Bestand gehabt. Bis ins 19. Jahrhundert jedoch waren es seltene Sensationen, wenn bei Frauen Kaiserschnitte gemacht wurden und Frau und Kind diesen- wenn auch nur für wenige Tage- überlebten.

Ab dem 17. Jahrhundert gab es erste Bestrebungen, Geburtshilfe wissenschaftlich zu untersuchen, Hebammen schrieben die ersten Lehrbücher, Ärzte nahmen sich der Geburthilfe an. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden verschiedene Zangen zur Geburtsbeendigung entwickelt. Bei der wegen Vitamin D Mangel damals noch häufiger auftretenden Krankheit Rachitis, waren die Becken der Frauen zum Teil so stark deformiert, dass die Geburten auch nicht mit Zangen beendet werden konnten. Der einzige grauenvolle Ausweg, die Geburten zu beenden und das Leben der Mutter zu retten, waren „zerstückelnde Operationen“ des Kindes durch die Scheide der Frauen.

Die einzige Indikation für den gefährlichen Kaiserschnitt

Um bei diesen geburtsunmöglichen Becken der Frauen  Auswege zu den zerstückelnden Operationen zu haben, wurden Alternativen wie vorzeitig eingeleitete Frühgeburten oder Aufsägen des Beckenringes der Frauen zur Platzgewinnung entwickelt. Beide Methoden waren aufgrund der Gefahren und Invalidisierung der Frauen nicht praxistauglich und eine Sackgasse.

Die Diagnose  „geburtsunmögliches Becken“ war die einzige Diagnose, die zum Kaiserschnitt berechtigte.

Komplikationen bei Kaiserschnitten

Die häufigsten Komplikationen, an denen Frauen starben bei den seltenen Versuchen einen Kaiserschnitt zu machen, waren: nicht zu stillende Blutungen oder vor allem  Infektionen, die zumeist schon durch vorangeganges, tagelanges Gebären mit etlichen Untersuchungen, unhygienischen Bedingungen etc. unvermeidbar waren.

Der Glaube, die Gebärmutter, das Bauchfell und andere anatomische Strukturen  nicht nähen zu dürfen, die damalige Schnittführung etc. haben das Ausbreiten der Infektionen im Bauchraum zusätzlich gefördert und waren fast immer die Todesursache in den folgenden Tagen nach der OP.

Der erst gefeierte Kaiserschnitt nach Porro, der zwar die Überlebensrate auf immerhin 50 % anhob, war aber auch keine Lösung, da mit der OP auch die Gebärmutter selber und die Eierstöcke entfernt wurden. Junge Frauen waren damit fortpflanzungsunfähig und kamen aufgrund des Hormonentzugs direkt in die Wechseljahre.

Erst das Zusammenspiel aus Wissenszugewinn in verschiedenen Disziplinen hat die aussichtslose OP gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer zunehmend sicheren Op werden lassen.

Die Grundlagen der Hygiene als Rettung der Frauen während der Geburt

Meilensteine waren u.a. die Erkenntnisse der Hygiene im 19. Jahrhundert: zu nennen ist da unbedingt der Wiener Arzt Ignatz Semmelweis. Er  hat erkannt, dass sein Studentenunterricht an Leichen und darauf folgende Untersuchungen an Gebärenden verantwortlich waren für die endemisch auftretenden Wochenbettfieberschübe. Seine Erkenntnisse waren Grundlage für das Verständnis, dass Krankheiten über Hände, Instrumente, Wäsche etc. übertragen wurde. Massnahmen zur Keimreduktion, Antisepsis, und Keimfreiheit, Asepsis, waren im Verlauf die logische Konsequenz.

Erkenntnisse aus der Anatomie,  Chirurgie, bessere Blutstillung,sowie  die Erkenntnis, dass man die Schnitte an der Gebärmutter zwingend vernähen muss, um die sonst tödlich verlaufende Entzündung des Bauchfells zu verhindern, waren wichtige Meilensteine.

1830 ist in England die Chloroformnarkose entwickelt worden. Gesellschaftliche Anerkennung hat die Methode durch die damalige Queen bei ihrer 8. Geburt erlangt.

Seit dem Zeitpunkt mussten Frauen der Geburt und vor allem operativen Eingriffen nicht mehr hilflos entgegentreten.

Der erste Kaiserschnitt 1881

1881 fand der erste Kaiserschnitt in der Nähe von Heidelberg in einem bis heute erhaltenem, kleinen Privathaus auf dem Küchentisch statt. Er gilt als die erste Sectio, die Mutter und Kind überlebt haben.

Ein Streit unter Ärzten, ob Kaiserschnitte auch von den üblicherweise in der Haugeburtshilfe tätigen Landärzten gemacht werden durften, mutet heute unvorstellbar an.

Mehr und mehr hat sich die ehemalige Hausgeburtshilfe in eine klinische Geburtshilfe entwickelt. Die Kaiserschnittraten war Anfang des 20. Jahrhunderts um die 1 %.

In den 70er Jahren dann bereits bei 15 %. Als ich meine Ausbildung 2001 in Berlin Neukölln begonnen habe, lag die Sectio Rate bei 19 %, heute ist sie um die 35 %.

Den Weg dahin beleuchtet dieses Buch auf anschauliche, kurzweilige Art. Ich erzähle Euch davon.

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